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In Schweden kein Symbolbild, sondern Normalität: Väter, die mit ihren Kleinkindern unterwegs sind.

Foto: APA/dpa/Pleul

"Auch mein Chef war zweimal sechs Monate in Elternkarenz", sagt Jonas Ekströmer, Fotograf bei der Fotoagentur Scanpix und Vater von drei Kindern im Alter von fünf Jahren bis acht Monaten. Ab August wird auch er wieder für fünf Monate Elternkarenz in Anspruch nehmen. So wie Ekströmer gehen in Schweden rund 90 Prozent der Väter in Karenz und kümmern sich um Kinder und Haushalt. In Österreich sind es nur rund acht Prozent der Väter. Nachteile für seine berufliche Karriere befürchtet Ekströmer nicht, weil in Schweden jeder - auch Führungskräfte - in Karenz geht.

Insgesamt 480 Tage Karenz

Auf Einladung des schwedischen Außenministeriums konnten internationale Journalisten die Maßnahmen der Familien- und Gleichstellungspolitik kennenlernen. Und: Strukturell unterscheidet sich das schwedische Karenzmodell nur wenig vom österreichischen. Bis zum Alter von acht Jahren können in Schweden die Eltern insgesamt 480 Tage in Karenz gehen, wobei mindestens 60 Tage vom anderen Elternteil in Anspruch genommen werden müssen. Wenn nicht, verfällt dieser Anspruch. Auch in Österreich verlängert sich, je nach Variante des Kinderbetreuungsgeldes, die Dauer der Elternkarenz, wenn beide Elternteile diese in Anspruch nehmen.

Die Höhe der finanziellen Unterstützung ist in Schweden ähnlich wie das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld in Österreich. Für die ersten 13 Monate bekommt der karenzierte Elternteil 80 Prozent seines Einkommens. Für die verbleibenden 90 Tage gibt es eine Flat Rate mit rund 20 Euro pro Tag.

"Nicht altmodisch"

Von Arbeitgeberseite werde der Wunsch der Väter nach Karenz akzeptiert und auch unterstützt, sagt Finanzexpertin Annika Creutzer. "Denn kein Unternehmen will als altmodisch gelten", sagt sie. Außerdem sei es durchaus üblich, dass der Arbeitgeber zum Kindergeld noch etwas dazuzahlt. Schwieriger könne es für Väter werden, die ihr Recht auf Elternkarenz erst in Anspruch nehmen, wenn das Kind bereits älter als zwei Jahre sei, gibt Creutzer zu.

Zwar werde von den wenigen Vätern, die nicht auf Elternkarenz gehen, das Nicht-leisten-Können als Argument gebracht, doch das sei meist nur ein Vorwand, sagt Ulrika Hagström, Senior Researcher bei TCO, einer gewerkschaftlichen Organisation. "Mittlerweile ist die Väterkarenz gesellschaftlich so anerkannt, dass nur wenige Väter es wagen würden, sie nicht in Anspruch zu nehmen", so Hagström.

Das Verhältnis zwischen den beiden Elternteilen bei der Verteilung der Karenzzeit ist auch in Schweden nicht ausgewogen, aber immerhin werden mittlerweile rund ein Viertel der möglichen Tage von Vätern beansprucht - in Österreich sind es nur 4,2 Prozent. "Die Karenzzeit des Vaters nimmt zwar kontinuierlich zu, von einer gleichen Verteilung ist Schweden aber noch weit entfernt", sagt Niklas Löfgren von der schwedischen Social Insurance Agency. Mit einem Gender-Equality-Bonus soll diese Dynamik beschleunigt werden. Für jeden Tag, den der andere Elternteil mehr als die 60 Tage übernimmt, wird zusätzlich ein Bonus von rund 300 Euro pro Monat ausgezahlt.

Fünfzig-zu-fünfzig-Aufteilung

Gleichzeitig werden auch immer mehr Stimmen laut, die eine Fünfzig-zu-fünfzig-Aufteilung fordern, allen voran die NGO Men for Gender Equality. Neben der gesellschaftspolitischen Einflussnahme organisiert die NGO auch Gesprächsgruppen und unterstützt Väter bei den Herausforderungen der Kinderbetreuung. Wahrscheinlicher sei es aber, dass es bei der Elternkarenz zu einer Drittellösung kommen werde, meint Creutzer. Jeweils ein Drittel wäre für jeden Elternteil reserviert und ein Drittel würde frei aufgeteilt werden können.

Der Grund für diese Forderung liegt im schwedischen Versicherungssystem, das auf individuell erworbene Leistungen abzielt. Die Weichen dafür wurden Anfang der 1970er-Jahre gestellt. Damals wurde das Sozialversicherungssystem personalisiert. Eine Mitversicherung mit dem Ehepartner ist seither nicht mehr möglich. Grund dafür war vor allem ein Arbeitskräftemangel, dem durch mehr Frauen im Erwerbsleben entgegengewirkt werden sollte. Dafür wurden Kinderbetreuungseinrichtungen ausgebaut und auch für Väter die Möglichkeit geschaffen, in Karenz zu gehen. Zu einem deutlichen Anstieg der Väterkarenz kam es 1995, als ein Monat der Elternkarenz ausschließlich dem Vater zuerkannt wurde. Die erworbenen Rechte gelten auch für gleichgeschlechtliche Paare, die seit 2002 Kinder adoptieren können.

80 Prozent der Frauen arbeiten

Die Erwerbsquote der Frauen liegt in Schweden bei knapp 80 Prozent und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt, der bei rund 65 Prozent liegt. In Österreich sind 69 Prozent der Frauen erwerbstätig. Bei Müttern mit Kindern unter drei Jahren liegt die Beschäftigungsquote in Schweden bereits bei 72 Prozent. "Nur Hausfrau zu sein ist in Schweden fast schon verpönt", sagt Creutzer.

Jedes Kind hat ab dem Alter von einem Jahr das Recht auf einen Kinderbetreuungsplatz. Sozial gestaffelt fallen für die Eltern maximale Kosten in der Höhe von 150 Euro inklusive Verpflegung und Ausflüge pro Kind an. Ein speziell für das Alter angepasstes Curriculum (siehe Wissen) soll auch die Lernfortschritte des Kindes fördern. Die Öffnungszeiten sind den Bedürfnissen berufstätiger Eltern angepasst.

Familienfreundlich

Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zeigt sich auch in einer höheren Geburtenrate. Während in Österreich Frauen im Durchschnitt 1,39 (2009) Kinder bekommen, liegt die Geburtenrate in Schweden bei 1,94 Kinder pro Frau. Damit liegt Schweden im EU-Vergleich am fünften Platz. Nur in Island, Irland, Frankreich und Norwegen kommen mehr Kinder, gemessen am Frauenanteil, zur Welt.

Die Aufteilung der Erwerbsarbeit ist aber auch in Schweden nicht gleichmäßig. Die Möglichkeit zur Teilzeit - das Recht besteht bis zum Alter des Kindes von acht Jahren - wird von 38 Prozent der Frauen, aber nur von zehn Prozent der Männer genutzt. In Österreich gehen fast die Hälfte der Frauen und nur knapp acht Prozent der Männer einer Teilzeitbeschäftigung nach. "Mütter sind sich der Konsequenzen dieser Entscheidung nicht bewusst", ergänzt Creutzer. Hier wäre die geringere Reduzierung der Arbeitszeit beider Elternteile die bessere Lösung.

Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert

"Natürlich gibt es auch in Schweden bei der Chancengleichheit noch viel zu tun", sagt Ulrika Stuart Hamilton, Staatssekretärin im Gender-Equality-Ministerium. So seien auch in Schweden Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert, in niedriger bezahlten Branchen stärker vertreten, und es gebe auch einen Gender-Pay-Gap, der weder mit Teilzeitbeschäftigung noch mit Beschäftigungen im Niedriglohnsegment erklärbar sei. Aber es werde viel unternommen, um diese Chancen weiter anzupassen.

Denn die Vorteile einer gerechteren Verteilung von Arbeit und Kinderbetreuung werden von Studien untermauert: Die Scheidungsrate ist deutlich niedriger, wenn auch der Vater in Karenz geht, die Väter sind gesünder. Familien, in denen beide Eltern in Karenz gehen, haben häufiger ein drittes Kind. Und: Auch die unbezahlte Hausarbeit wird nach der Elternkarenz beider fairer aufgeteilt. (Gudrun Ostermann aus Stockholm, DER STANDARD, 4./5.5.2013)